Alles begann im letzten Frühling. Es war ein Sonntag Abend und ich packte wie üblich meinen Koffer für die nächste Woche - Anzüge, Kleider und was ich sonst noch für meine drei Tage auf Geschäftsreise benötigen würde. Ich war soweit startklar, um am nächsten Morgen in den Zug zu steigen. Gemütlich auf der Couch lümmelnd hörte ich auf einmal, dass mein Geschäftshandy den Eingang einer Email meldete. Am Sonntag nach 23 Uhr? Da stimmte doch eindeutig etwas nicht. Also erhob ich mich von meinem gemütlichen Platz und ging zu meiner Handtasche und fischte den kleinen Störenfried heraus und prüfte den Posteingang. Der Geschäftsführer meiner Firma cancelte bis auf weiteres alle Geschäftsreisen der Berater - damit begann der Coronaausnahmezustand. Ich ging noch völlig verblüfft in mein Schlafzimmer, sah den offenen Koffer und meine Neuerwerbung, die oben auf lag: ein klassisches Kleid von Burburry, das ich in einem Secondhandshop erworben hatte.
Es dauerte bis September, bis mein Kleid die Gelegenheit bekam seinen großen Aufritt hinzulegen.
Ein Jahr lang sah ich dabei zu wie meine hübschen Anzüge, Kleider und Kostüme im Schrank hängen blieben und mein täglicher Bedarf an Kleidung auf ein Mindestmaß zusammenschrumpfte.
Ich war frustriert und traurig - all diese liebevoll zusammengetragenen Kostbarkeiten hatten es doch verdient getragen zu werden. Die Welt musste sie sehen. Stattdessen fristeten sie nun ein unspektakuläres Dasein hinter den weißen Türen meines Kleiderschranks.
All dies nahm ich zum Anlass über die Kleidung nachzudenken, die ich mir im Laufe eines Jahres in der Regel kaufte - hier ein Teil und dort noch eins. Seit vielen Jahren kaufe ich mir alles wozu ich so Lust habe. Was sich im Laufe der Zeit geändert hat? Ich kaufe fast ausschließlich ökologisch korrekte Kleidung oder Secondhandware. Aber die Menge war nichts desto trotz beeindruckend. Und war sie überhaupt nötigt?
Und mit dieser Frage stellte sich die Nächste. Was ist mit meinen Schuhen, den Tüchern, den Gürteln? Da musste sich doch etwas tun lassen! Also beschloss ich fürs neue Jahr eine Challange auszurufen.
Ich wollte mir ein Jahr lang keine Kleidung kaufen. Ja, auch keine Schuhe!
Ich hatte doch von allem mehr als genug. Das sollte doch zu schaffen sein!
Heute ist Ostersonntag, das Ende der Fastenzeit, 40 Tagen in denen man bewusst verzichtet. Ich selbst verzichte seit dem 01. Januar und bin immer noch dabei.
Bin ich stolz darauf so lange durchgehalten zu haben? Sehr.
War es schwierig? Sehr.
Ich hätte mir wirklich nicht vorstellen können, wie sehr ich mit mir kämpfen müsste. Und immer wenn ich mal eine gute Phase hatte kam ein Katalog ins Haus mit hübschen Kleidern, die mir zuflüsterten: "Ach komm Süße, nur eins - keine Massen. Einmal ist keinmal!" Ich habe aufgehört zu zählen wie oft ich einen dieser Katalog quer durchs Zimmer warf, um meinem Frust Ausdruck zu verleihen.
Die Newsletter meiner liebsten Onlineshops hatte ich vorsorglich im Dezember alle gekündigt und die Apps vom Smartphone gelöscht. Ich wollte mir selbst eine echte Chance geben. Aber diese blöden Kataloge kommen einfach ins Haus und man kann es nicht verhindern. Mittlerweile wandern sie unbesehen direkt ins Altpapier - es mindert deutlich den Schmerz.
Die Frage, die mich heute umtreibt ist, ob ich durchhalten werde. Das Teufelchen auf meiner Schulter flüstert mir zu ich hätte doch schon mehr als genug getan: drei Monate und 3 Tage. Das Engelchen sagt lächelnd, dass das Schlimmste geschafft ist und es jetzt leichter werden wird.
Wie es weiter geht weiß ich nicht. Wie es enden wird auch nicht.
Ich nehme ab jetzt einfach einen Tag nach dem Anderen und drücke mir selbst die Daumen.
Mit diesem Gedanken schließe ich für heute und wünsche Euch allen ein frohes Osterfest.
Eure Sofie
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Silke (Montag, 05 April 2021 11:43)
Habe ich auch einmal gemacht und musste innerhalb des Jahres nicht mal ne Ausnahme für Strumpfhosen machen (was ich dachte machen zu müssen).
Heute, Jahre später, kaufe ich nur, wenn ich zu 100 Prozent überzeugt bin. Kompromisse (macht ne schöne Taille, sitzt dafür an der Schulter eben eng etc etc) gibt's nicht mehr.
Und das Gefühl Klamotten wegzugeben, weil sie kaputt sind, kaputt getragen, abgenutzt, verbraucht, sind..., ist unbeschreibbar!
an Silke (Samstag, 17 April 2021 08:51)
Hallo Silke,
das klingt ja sehr motivierend. Danke, dass du deine Erfahrungen mit uns hier teilst.
Es macht mir Mut, dass ich auf dem richtigen Weg bin und einfach weiter durchhalten solle. :-)
Viele Grüße
Sofie